Regionsversammlung am 23.02.2021: Rede zur Aktuellen Stunde von Sinja Münzberg

  • Veröffentlicht am: 23. Februar 2021 - 14:18

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Sinja Münzberg, Sprecherin für Soziales und Wohnungswesen

 

Rede von Sinja Münzberg

zur Aktuellen Stunde in der Regionsversammlung am 23.02.2021 (auf Antrag der Grünen Regionsfraktion vom 18.02.2021)

"Steigende Infektionszahlen und ein hoher Anteil von Virusmutationen – Was ist die Strategie der Region Hannover, um die Corona-Pandemie in den Griff zu kriegen?"

 

- Es gilt das gesprochene Wort - 

 

 

Anrede,

es ist schon fast ein bisschen kurios, dass wir uns heute – fast ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie - zum ersten Mal die Zeit nehmen, in der Regionsversammlung ausführlich über die Situation hier in der Region zu sprechen. Das Thema Corona bestimmt seit einem Jahr unser Leben und man sollte meinen, dass es auch unsere Arbeit als Regionsparlament bestimmt. Hier sind wir allerdings höchstens punktuell eingebunden.

Zu Beginn der Pandemie war das auch völlig in Ordnung. Da waren Krisenmanagement und schnelles Handeln gefragt. Wir haben deshalb im letzten Frühjahr auch bereitwillig alle Eilentscheidungen mitgetragen. Wir haben uns mit Blick auf die Arbeitsbelastung der Verwaltung mit Anfragen zurückgehalten. Und wir haben uns vorerst sogar damit zufriedengegeben, Informationen aus der Zeitung zu bekommen.

Und die Verwaltung hat – das möchte ich hier auch betonen – in dieser wirklich anspruchsvollen Zeit auch sehr gute Arbeit geleistet und teilweise sogar wegweisende Entscheidungen getroffen, z.B. die Unterbringung von wohnungslosen Menschen in der Jugendherberge. Herzlichen Dank dafür an dieser Stelle.

Nach fast einem Jahr Pandemie aber sollten wir als Regionsparlament doch etwas mehr Beteiligung erwarten können. Bis heute beschäftigt sich lediglich der Sozial- und Gesundheitsausschuss öffentlich mit dem Thema Corona. Dieser Ausschuss tagt etwa alle zwei Monate und hat in aller Regel auch eine ziemlich volle Tagesordnung. Mit Verlaub: aber das ist bei einem so dynamischen Geschehen wirklich keine angemessene Form der Beteiligung.

Und das ist aus verschiedenen Gründen problematisch:

  1. Wir als Abgeordnete werden in unseren Wahlkreisen angesprochen. Die Menschen erzählen uns, was sie bewegt und was aus ihrer Sicht bei der Pandemiebekämpfung vielleicht auch nicht so gut läuft. Wir könnten die Verwaltung unterstützen, indem wir bestimmte Fragen vor Ort klären oder Anregungen und Kritik in die Region tragen.

 

Ich bin bspw. in den letzten Tagen mehrfach gefragt worden, ob die Region angesichts der anhaltend hohen Infektionszahlen an den Lockerungen zum 1. März festhalten will. Berechtigte Frage, wie ich finde. Eine Antwort konnte ich aber leider nicht geben, denn ich habe dazu keine Informationen.

  1. Laut Kommunalverfassungsgesetz ist es unsere Aufgabe als Regionsparlament, das Verwaltungshandeln zu kontrollieren. Ohne zu wissen, was die Verwaltung tut, können wir diesem Auftrag nicht gerecht werden.
  2. Demokratie lebt davon, dass Dinge zwischen verschiedenen Interessengruppen und manchmal auch widerstreitenden Ansichten ausgehandelt werden. Das ist ja sonst auch gelebte Praxis in diesem Gremium. Aber auch das ist aktuell nicht möglich, weil die Verwaltung alles im Alleingang entscheidet und das Parlament erst aus der Presse davon erfährt.

Im Laufe des letzten Jahres haben wir immer wieder um eine bessere Informationspolitik gebeten – ohne Ergebnis.

Wir haben den Regionspräsidenten deshalb jetzt mit einem Antrag aufgefordert, uns – die Mitglieder der Regionsversammlung – wöchentlich per Videokonferenz über das aktuelle Geschehen zu informieren. Und auch wenn unser Antrag im Regionsausschuss abgelehnt worden ist, möchte ich hier wirklich noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, dass wir eine bessere Informationspolitik des Regionspräsidenten erwarten.

Denn bei allem Lob, das ich eingangs für das gute Krisenmanagement im letzten Frühjahr geäußert habe, nehme ich mittlerweile eine gewisse Ratlosigkeit im Umgang mit der Corona-Pandemie wahr.

Dabei ist die Lage vielleicht so ernst, wie nie zuvor in der Pandemie:

Die Region Hannover bleibt – anders als der Landes- oder der Bundestrend – stabil bei einer sehr hohen 7-Tage-Inzidenz von über 100. Wir haben ein diffuses Infektionsgeschehen und keine erkennbaren Hotspots, die diese Zahlen erklären könnten. Auch die britische Virusmutation ist hier deutlich weiter verbreitet als anderswo. Die Erklärungsversuche klingen – zumindest für mich als Gesundheitswissenschaftlerin - wenig überzeugend. Dass hier viel getestet wird, sollte man angesichts der Rahmenbedingungen auch erwarten können.

Bundesweit warnen Wissenschaftlerinnen gerade vor einer dritten Welle. Und wenn ich mir die Zahlen angucke, frage ich mich, ob die Region Hannover nicht schon mitten drinsteckt.

Leider kann ich derzeit keine Strategie erkennen, wie die Verwaltung mit dieser Situation umgehen will. Weiterhin stoisch die Landesverordnungen umzusetzen und sinkende Zahlen zu orakeln, macht jedenfalls noch keine Strategie.

Ein erster wichtiger Schritt wäre ein kostenloses Schnelltestangebot für alle, die Kontakte nicht vermeiden können. Also insbesondere Menschen, die in Kitas, Schulen oder im Einzelhandel arbeiten, sowie Schülerinnen und Schüler. Der Landkreis Osnabrück hat vorgemacht, wie so etwas gehen kann.

Gleichzeitig müssen wir Menschen in genau diesen Bereichen auch besser schützen, z.B. mit Luftfiltern in Schulen und Kitas. Auch dafür gibt es mittlerweile zahlreiche Beispiele und hinreichend wissenschaftliche Evidenz. Das Argument, wir wüsste nicht, ob das was bringt, zählt also nicht mehr.

Sie erinnern sich vielleicht, dass wir bereits im letzten Sommer hier gefordert haben, dass Bildung und Betreuung auch unter Pandemiebedingungen möglich sein müssen. Passiert ist leider nichts. Viele Kinder in der Region sitzen nun schon wieder seit über zwei Monaten zuhause und nächste Woche sollen sie trotz hoher Infektionszahlen, aber ohne zusätzlichen Schutz wieder in die Schule gehen. Das ist widersprüchlich und sorgt für viel Verunsicherung.

Drittens müssen wir beim Impfen besser werden. Die Region ist die größte Gebietskörperschaft in diesem Land. Sie ist stolz auf den Regionsgedanken und die Vorstellung von Solidarität und gleichwertigen Lebensverhältnissen. Aber zum Impfen sollen gefälligst alle nach Hannover kommen. Allen voran die über 80-Jährigen. Das passt doch nicht zusammen.

Es geht hier ja auch nicht um die Frage, ob wir ENTWEDER zentral ODER dezentral impfen, sondern darum wie wir die Menschen mit unserem Impfangebot erreichen, die wir erreichen wollen. Und da kann die Antwort nur sein: mit einem zentralen UND einem dezentralen Angebot.

Ich möchte deshalb auch hier nochmal eindringlich an die Verwaltung appellieren, ihre Planung zu überdenken. Der Impfstoff muss zu den Menschen kommen, insbesondere zu den Älteren. Nicht andersrum. Das sorgt hier wirklich für ganz viel Unverständnis.

Aber das haben sie vielleicht gar nicht mitbekommen, weil es hier keinen Austausch dazu gibt.

Dieser Dreiklang aus Testen, Schützen und Impfen ist aus unserer Sicht jedenfalls EINE mögliche Antwort auf die anhaltend hohen Infektionszahlen in der Region. Ich sage bewusst nicht, dass es die einzig richtige Antwort ist. Die weiß vermutlich niemand von uns, auch Sie nicht, Herr Präsident.

Mir ist es deshalb wichtig, dass wir in einen Dialog kommen und Antworten auf die Corona-Herausforderungen gemeinsam diskutieren. Dass wir Ideen austauschen und versuchen, die bestmögliche Lösung für die Menschen in der Region zu finden. So jedenfalls verstehen wir unseren Auftrag als Fraktion in diesem Parlament. Wir stehen dafür jederzeit zur Verfügung.

 

Vielen Dank!

 

 

Sinja Münzberg, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen Regionsfraktion