Antwort auf Anfrage

Einführung der Bezahlkarte für Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG in der Region Hannover

Ein Mann übergibt jemandem eine Bezahlkarte
Adobe Stock / Wesley J.

Anfrage gem. § 9 der Geschäftsordnung zur schriftlichen Beantwortung

In der Pressemitteilung vom 13. März 2025 teilt die Regionsverwaltung mit, dass spätestens zum 01. Mai 2025 die Einführung der sog. Bezahlkarte für Menschen mit Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in der Region Hannover vorgesehen ist.

Bislang hat die Verwaltung eine eher skeptische Einschätzung im Hinblick auf ungeklärte Fragestellungen und Praktikabilität der Verfahren, was eine enorme Arbeitsbelastung für die Regionsverwaltung erwarten lässt, unterstrichen.

Ausführlich wurde über diese Thematik auch in der Sitzung des Ausschusses für Soziales, Wohnungswesen und Teilhabe am 02. Dezember 2024 diskutiert.


Angesichts dieser Ausgangslage frage ich die Verwaltung

1. Konnte der damals vorgestellte Fragenkatalog der Regionsverwaltung durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport zufriedenstellend beantwortet werden?

a. Falls nicht: Welche Fragenkomplexe wurden nicht (zufriedenstellend) beantwortet bzw. wo steht eine Klärung noch aus?

Antwort der Regionsverwaltung:

Der Katalog der 20 Fragen wurde zwischenzeitlich zufriedenstellend beantwortet. Die Praxis zeigt aber, dass durchaus sich auch immer wieder neue Fragen stellen.

2. Welche Personengruppen sind von der Bezahlkarte betroffen? Bitte berücksichtigen Sie dabei sowohl die Neufälle als auch die Bestandsfälle und differenzieren Sie nach § 3 AsylbLG Grundleistungen und § 2 Analogleistungen.

Antwort der Regionsverwaltung:

Die Bezahlkarte soll nur für volljährige Grundleistungsberechtigte nach § 3 AsylbLG zur Anwendung kommen. Dabei handelt es sich in der Regel um Personen, die sich noch keine 36 Monate ohne wesentliche Unterbrechung in der Bundesrepublik aufhalten. Mit Stand Mai 2025 waren dies ca. 2.150 Personen in den 20 Städten und Gemeinden der Region Hannover ohne die Landeshauptstadt Hannover.

Keine Karten sind an Minderjährige unter 14 Jahren auszuhändigen, für Minderjährige ab 14 Jahren liegt dies im Ermessen der zuständigen Leistungsbehörde. Die Region Hannover hat diese Entscheidung den kommunalen Sozialämtern überlassen, um vor Ort die Möglichkeit für praxisnahe und pragmatische Lösungen zu schaffen.

Nicht vorgesehen ist der Einsatz der Karte für Personen im Analogleistungsbezug nach § 2 AsylbLG, wovon andernfalls gegenwärtig ca. 750 erwachsene Leistungsberechtigte im Zuständigkeitsbereich der Region Hannover betroffen wären.

3. Welche zusätzlichen administrativen Aufwände, finanzielle Kosten und Herausforderungen entstehen für die Verwaltung durch die landesweit einheitlich ausgestaltet neue Bezahlkarte?

Antwort der Regionsverwaltung:

Administrative Aufwände in zusätzlicher Form treten auf. Da gegenwärtig weder eine Schnittstelle (angekündigt für September 2025) oder gar eine Vollintegration in die hier für die Leistungssachbearbeitung verwendete Fachanwendung OPEN/PROSOZ existieren müssen die für die Sachbearbeitung relevanten Daten durch die Sachbearbeitung sowohl über die webbasierte Anwendung der Firma Secupay als auch über die Fachanwendung eingegeben werden.

Für eine Verbindung zur Fachanwendung fallen Kosten in bisher hier nicht bekannter Höhe an, da das Land Niedersachsen nach aktuellem Sachstand lediglich die auf Seiten der Firma Secupay als Kartenanbieter entstehenden Aufwendungen übernehmen würde. Hierzu sollen aktuell Gespräche unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände geführt werden. Ergebnisse liegen der Verwaltung noch nicht vor.

Erwähnenswert ist noch der Umstand, dass Partner des Kartenanbieters entweder die Landkreise bzw. hier die Region oder die jeweils zugehörigen Städte und Gemeinden sind. Da die Aufgabe der Sachbearbeitung für die Leistungen nach dem AsylbLG aufgrund der Heranziehung durch die Region Hannover in den 20 Umlandstädten und -gemeinden in der Region Hannover wahrgenommen wird, besteht für die Region Hannover keine Möglichkeit, direkt beim Kartenanbieter regionsbezogene Daten z. B. zur Inanspruchnahme abzurufen. Sämtliche Statistik- und sonstige Fragen wären bei den Städten und Gemeinden einzuholen und in der Regionsverwaltung zusammenzuführen.

4. Wie beabsichtigt die Verwaltung die Einzelfallgerechtigkeit bei der Ermessensausübung in Fallkonstellationen sicherzustellen, in denen spezifische Mehrbedarfe (bspw. Schwangerschaften, Leistungsanspruch nach dem Bildungs- und Teilhabepaket, etc.) eine Rolle spielen?

Antwort der Regionsverwaltung:

Geldbeträge für Mehrbedarfe oder für Leistungen für Bildung und Teilhabe können nach Weisung des Landes auf die Bezahlkarten überwiesen werden. Dadurch kann sich dann der grundsätzlich vorgesehene Rahmen für Bargeldabhebungen von 50 EUR pro Person und Monat gegebenenfalls erhöhen. Es handelt sich dann um Geldleistungen (auf Bezahlkarten) anstelle von solchen als klassisches Bargeld bzw. Überweisungen auf Konten. Bei atypischen örtlichen Gegebenheiten und/oder persönlichen Besonderheiten sind Leistungen ohne Buchungen auf Bezahlkarten bzw. Erhöhungen des Bargeldrahmens denkbar, wenn ansonsten der notwendige Lebensunterhalt nicht gedeckt wäre.

5. Inwieweit ist durch das neue Bezahlkartensystem das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminium (Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz) sichergestellt?

Antwort der Regionsverwaltung:

Verfassungsrechtlich ist anerkannt, dass das Recht auf Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums in unterschiedlichen Leistungsformen erfolgen darf. Hierzu zählen neben Bargeldleistungen und Sachleistungen auch unbare Zahlungen wie hier durch die Bezahlkarte bewirkt.

Hiermit ist lediglich eine zusätzliche Form der Leistungsgewährung bzw. eine weitere Aufteilung der Mittel eingeführt worden, die Höhe des gesamten zustehenden Leistungsbedarfes blieb indes unangetastet. In der Praxis muss im Einzelfall beim Einsatz der Bezahlkarte gesichert sein, dass auch unter Anwendung dieses zusätzlichen Zahlungsmittels das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum ungeschmälert und tatsächlich bedarfsdeckend den Leistungsberechtigten bereitgestellt wird. Hiervon ist im Regelfall auszugehen. Sollte sich erweisen, dass dies im Einzelfall oder in bestimmten Lebenssituationen nicht der Fall ist, ist durch eine entsprechende Verwaltungspraxis darauf zu reagieren, beispielsweise durch Anpassung des abhebbaren Bargeldbetrages.

Rechtsprechung zum Einsatz der Karte liegt bisher soweit ersichtlich nur im Rahmen von einzelnen Eilrechtsschutzverfahren vor. Hier haben zwei Landessozialgerichte den Einsatz der Bezahlkarte für grundsätzlich zulässig erachtet und keine Verletzung des Rechtes auf das Existenzminimum gesehen. Weitere Verfahren werden sicherlich folgen und Erkenntnisse zur rechtlichen Bewertung der Bezahlkarte erbringen.

Kontakt für Rückfragen

Christian HInrichs (Foto: Sven Brauers)

Christian Hinrichs
Sozialpolitischer Sprecher
christian.hinrichs@regionsversammlung.de

Eingereicht am
24. April 2025

Behandelt am
19. Mai 2025

Ergebnis
beantwortet

Dokumente
3853 (V) AaA