TOP 66: Reden der Fraktionen, Gruppen und fraktionslosen Abgeordneten zum Erlass der Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2026
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrter Herr Regionspräsident,
liebe Kolleg*innen,
wir diskutieren und beschließen heute einen Haushalt, der uns allen, Verwaltung und Politik, viel abverlangt: politisch, finanziell und gesellschaftlich. Die Rahmenbedingungen sind nicht einfach. Auch wenn es sich wie eine übermäßig viel genutzte Phrase anhört: Wir leben in einer Zeit multipler Krisen. Die Klimakrise, die sozialen Krise, die Demokratiekrise, wirtschaftliche Unsicherheiten und globale Konflikte. Diese Krisen überlagern sich, sie verstärken sich und sie treffen auch ganz direkt die kommunale Ebene.
Dabei sind Kommunen der Maschinenraum der Demokratie. Hier erleben Menschen unmittelbar, ob und wie der Staat funktioniert. Kommunen sind mit ihren vielfältigen Aufgaben der Teil des Staats, der die unmittelbarste Auswirkung auf das Leben der Menschen hat. Und damit haben wir als Regionsabgeordnete die Verantwortung einen Haushalt zu gestalten, der die Region stärkt: nicht nur heute und sondern auch morgen.
Es geht dabei nicht um ein Stück Papier mit Zahlen. Es geht um unser Selbstverständnis als Region:
Wollen wir verwalten – oder gestalten wir?
Wollen wir Krisen hinterherlaufen – oder sorgen wir vor?
Wollen wir sparen, bis Strukturen zerbrechen – oder investieren wir jetzt, damit sie tragen?
Wir haben hier also einen Haushalt, der in einer Zeit entsteht, in der Krisen nicht mehr Ausnahmezustände sind, sondern eine neue Realität, auf die wir Antworten finden müssen. Und genau das tut dieses Zukunftspaket, das SPD und Grüne gemeinsam vorlegen: Es zeigt Haltung, Weitsicht und Verantwortung. Wir setzen auf Gestaltung. Wir setzen auf Vorsorge. Wir setzen auf Zukunft.
Rund 34 Millionen Euro fließen in Klima, Bildung, Mobilität, Digitalisierung und sozialen Zusammenhalt. Das ist kein Luxusprogramm. Das ist die Grundlage einer widerstandsfähigen Region Hannover, die den Wandel aktiv gestaltet.
Auf diese Themen möchte ich jetzt noch im Detail eingehen.
Klimaschutz muss ein verlässlicher Weg sein, keine Wahloption.
Das neue Klimainvestitionsprogramm macht den Pfad zur Klimaneutralität bis 2035 planbar. 17 Millionen Euro fließen in klimafreundliche Infrastruktur, Energieeffizienz, kommunale Projekte und in natürliche Klimaschützer wie unsere Moore.
Wir hören damit auf, Klimaschutz in Jahreshaushalten zu denken. Wir machen ihn zu einer dauerhaften, verlässlichen öffentlichen Aufgabe. Denn Klimaschutz ist nicht nur ökologisch notwendig, er ist ökonomisch klug. Jeder Euro, den wir heute investieren, spart uns morgen Kosten durch Extremwetter, Energieabhängigkeiten und Sanierungsstaus.
Wir bauen Strukturen auf, bevor es brennt, und machen die Region und damit den Lebensraum von aktuell ungefähr 1,2 Millionen Menschen resilient.
Klimaschutz allein reicht aber nicht, denn zur Wahrheit gehört: Extremwetter ist längst Teil unseres Alltags. Hitze, Starkregen, Stürme sind keine Ereignisse mehr, die alle paar Jahre auftreten. Sie sind gekommen, um zu bleiben.
Deshalb stärken wir den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz:
Mehr Mittel für die Organisationen und bessere Strukturen für die, die im Ernstfall helfen. Dazu gehört eine Stelle, die die Aktivitäten zum Hochwasserschutz koordiniert, denn Hochwasser interessiert sich nicht für kommunale Grenzen. Dazu gehört aber auch die Unterstützung der Jugendfeuerwehren. Denn Resilienz entsteht nicht nur durch Technik, sondern durch Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Dafür müssen wir beim Nachwuchs anfangen. Ob es nun um Ausstattung, den Auf- und Ausbau von Fähigkeiten oder gemeinschaftsbildende Erlebnisse wie Zeltlager und Wettbewerbe geht.
Apropos Nachwuchs:
Ein gerechtes Bildungssystem ist ein Kernanliegen unserer Politik. Deshalb investieren wir 8,5 Millionen Euro in Berufs- und Förderschulen. Wir schaffen Räume, sichern Übergänge, sanieren energetisch, modernisieren Standorte. Von Burgdorf über Wunstorf bis in den Südosten der Region.
Dabei geht es nicht nur um Gebäude. Es geht um Chancen. Es geht um Teilhabe.
Es geht darum, Menschen zu befähigen, in einer Welt im Wandel ihren Weg zu gehen. Wir stärken das Bildungsbüro, investieren in Qualifizierung und bekämpfen Jugendarbeitslosigkeit, indem wir die Ausbildungslots*innen ausbauen.
Teilhabe geht aber viel weiter als das Thema Bildung. Zentral für eine starke Region, in der alle teilhaben können, ist soziale Teilhabe.
Die neue TeilhabeCard ist ein Meilenstein. Sie schafft unbürokratischen Zugang zu Kultur, Sport, Mobilität und Bildung. Gerade für Kinder und Jugendliche, deren Familien zu wenig haben, um ihnen all das zu ermöglichen.
Wir sichern Beratungsstellen, die Menschen auffangen, wenn sie Unterstützung brauchen. In der Familienberatung, der sexuellen Gesundheit, der queeren Jugendarbeit, der Antidiskriminierungsarbeit. Wir geben KIBIS, Phoenix, Pro Familia und vielen anderen Einrichtungen das, was sie brauchen, um weiter wirken zu können. 132.000 € verschwinden in einem Haushalt von über 3 Milliarden, sind aber zentral für diese Organisationen.
Genauso sind zusätzliche 100.000 € für die Clearingstelle eine Kleinigkeit in so einem großen Haushalt, sichern aber Menschen ohne oder mit ungeklärtem Versicherungsschutz ab. Dies sollte in unserer Gesellschaft kein Luxus sein, sondern eine Selbstverständlichkeit. Ebenso wie die Unterstützung von CSDs in der Region zur Stärkung unserer Vielfalt. Des weiteren sichern wir kulturelle und erinnerungspolitische Arbeit, von der Gedenkstätte Ahlem bis zu einem Mahnmal für die während des Holocaust ermordeten Sintizze und Romnja.
Diese Angebote sind nicht „nice to have“. Sie sind Grundpfeiler einer offenen und demokratischen Gesellschaft.
Ein weiterer grundlegender Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe aller Menschen in der Region ist Mobilität.
Mobilität ist weit mehr als die Frage, wie wir von A nach B kommen. Sie entscheidet darüber, ob Menschen ihre Arbeitsstelle zuverlässig erreichen, ob Jugendliche den Weg zur Schule und Ausbildung sicher bewältigen können, ob Senior*innen am sozialen Leben teilnehmen und ob Familien ihren Alltag selbstbestimmt organisieren können.
Darum investieren wir rund 8 Millionen Euro in eine Mobilität, die sicher, klimafreundlich und für alle zugänglich ist. Wir sanieren Radwege entlang der Kreis- und Regionsstraßen, treiben den Weiterbau der Radschnellwege nach Burgdorf und Ronnenberg voran und schaffen 1.000 zusätzliche Fahrradabstellplätze. Park+Ride-Anlagen werden digitaler und barriereärmer, indem wir sie mit Sensoren ausstatten, die Wege und Umstiege verlässlicher planbar machen.
Doch diese Maßnahmen sind mehr als Infrastrukturpolitik – sie sind Klimaschutz- und Gesundheitspolitik. Jeder sanierte Radweg, jede sichere Abstellmöglichkeit, jede gut erreichbare ÖPNV-Schnittstelle macht es Menschen leichter, bewusst auf das Auto zu verzichten. Das schützt unser Klima, reduziert Emissionen, vermeidet Lärm und verbessert die Luft in unseren Städten und Gemeinden.
Mit einer solchen Verkehrspolitik stärken wir nicht nur die individuelle Freiheit und gesellschaftliche Teilhabe. Wir schaffen auch eine nachhaltige, resiliente Mobilität, die den Anforderungen der Zukunft gerecht wird. Mobilität soll nicht ausschließen – sie soll verbinden. Und sie soll nicht belasten – sondern unser Klima schützen und unsere Region lebenswerter machen.
All diese Dinge können wir nur umsetzen, wenn wir eine handlungsfähige Verwaltung haben. Als „Maschinenraum der Demokratie“, muss die Verwaltung geschützt werden und sich selbst schützen können gegen eine wachsende Anzahl verfassungsfeindlicher Angriffe und gleichzeitig bereit sein, sich an verändernde Rahmenbedingungen anzupassen. Unter dem Stichwort „resiliente Verwaltung“ haben wir ein Paket an Maßnahmen eingebracht, dass die organisatorischen, digitalen und personellen Strukturen weiterentwickelt und allen Menschen, ob Mitarbeitenden, Regionsabgeordneten oder Bürgerinnen den Zugang zu Arbeit und Aufgaben der Verwaltung erleichtert. Beispiele sind die Einführung eines digitalen, einwohnerinnenfreundlichen Haushaltstools, dass das heute zu beschließende Zahlenwerk für alle verständlich online präsentiert oder die Erarbeitung eines Planspiels „resiliente Verwaltung“.
Liebe Alle, dieser Haushalt ist kein einfacher Haushalt. Aber er ist ein richtiger. Er ist ein kluger. Und dass obwohl er unter schwierigen Bedingungen entsteht.
Kommunen sind strukturell unterfinanziert. Diese Unterfinanzierung ist nicht neu – aber sie spitzt sich zu. Und sie hat Folgen, die wir nicht länger ignorieren können.
Warum sind Kommunen unterfinanziert?
Die Gründe liegen auf der Hand:
• Bund und Länder übertragen Aufgaben, ohne auskömmlich zu finanzieren.
• Kommunen bleiben mit Verpflichtungen zurück, für die das Geld fehlt.
• Hohe Investitionsbedarfe für Klimaschutz, Infrastruktur und Bildung können nicht warten, nachdem sie jahrelang unzureichend passiert sind
• Krisenfolgen, ob Pandemie oder Extremwetter, treffen zuerst und am stärksten die kommunale Ebene.
• Und als wichtigstes: Pflichtausgaben steigen schneller als Einnahmen.
• Besonders im Sozial- und Gesundheitsbereich explodieren die Kosten:
• In der Jugendhilfe haben wir starke Kostensteigerung, insbesondere durch UMAs, Inobhutnahmen und Corona-Folgen
• Der Rechtskreiswechsel für ukrainische Geflüchtete erhöht unsere Kosten
• Und die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Betreuung für Grundschulkinder und Eingliederungshilfe erhöhen unsere finanziellen Belastungen
Diese Gemengelage führt dazu, dass wir, selbst ohne jegliche politischen Anträge und unter größten Anstrengungen der Verwaltung sich auf „das nötigste“ zu fokussieren, keine Chance auf eine echte dauerhafte Haushaltsausgeglichenheit haben.
Ich möchte das hier nochmal laut und deutlich sagen: Es ist nicht möglich, allein durch kommunale Entscheidungen die strukturellen Finanzprobleme zu lösen.
Wir tun, was in unserer Macht steht. Wir priorisieren. Wir investieren klug.
Wir bauen Zukunftssicherheit auf. Kurz gesagt: wir halten den Maschinenraum der Demokratie am Laufen. Wir können nicht kompensieren, dass die finanzielle Architektur zwischen Bund, Land und Kommunen seit Jahren nicht gerecht funktioniert.
Aber: Wir übernehmen trotz oder gerade vielleicht auf Grund all dieser Umstände Verantwortung. Wir entscheiden uns für Klimaschutz, weil wir wissen: es geht um Lebensqualität und Sicherheit. Wir entscheiden uns für Investitionen in Infrastruktur, weil Bildung und Mobilität Schlüssel zu einer offenen Gesellschaft sind. Wir entscheiden uns für soziale Teilhabe, weil unsere Region nur dann wirklich stark ist, wenn alle dazugehören.
Sicherheit und Vertrauen entstehen dort, wo Strukturen Menschen auffangen, bevor es kritisch wird. Genau das tut dieser Haushalt – auch in schwierigen Zeiten.
Vielen Dank.