Änderungsantrag der Fraktionen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 16. September 2025 zur Vorlage 3774 (V) Ant
Beschlussvorschlag
Der Beschlusstext wird wie folgt geändert:
Die ÜSTRA wird aufgefordert, noch stärker als bisher mit Sozial- und Wohlfahrtsverbänden zum Thema „Mobilitätsarmut“ zusammenzuarbeiten. In diesem Zusammenhang soll zeitnah eine Strategie erarbeitet werden, wie bei Menschen in Wohnungsnot oder in besonderen sozialen Schwierigkeiten (nach § 67 ff. SGB XII) von einem Strafantrag nach § 265a StGB abgesehen werden kann.
Sachverhalt
Mit dem § 265 a StGB wird das „Erschleichen von Leistungen“ mit einer Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Gefängnis geahndet. Der Paragraph wurde 1935 von den Nationalsozialisten eingeführt. Die verhängte Strafe ist zwar in der Regel eine Geldbuße. Wenn Betroffene diese nicht aufbringen können, kommt es aber in seltenen Fällen zur Anordnung von Ersatzfreiheitsstrafen – teilweise für mehrere Monate. Jährlich betrifft dies laut einer Schätzung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in Deutschland rund 7.000 Menschen[1]. Laut der NGO „Frag den Staat“ sind die meisten von ihnen von Armut betroffen. Viele sind langzeitarbeits-, einige zudem obdachlos.[2] Etwa 40 % der Haftantritte in den vergangenen Jahren in Niedersachsen waren durch eine Ersatzfreiheitsstrafe bedingt[3]. Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe verursacht erhebliche jährliche Kosten im zweistelligen Millionenbereich für das Land Niedersachsen und damit für die Allgemeinheit.
Eine enge Zusammenarbeit mit Sozial- und Wohlfahrtsverbänden hilft, die Probleme einiger Fahrgäste zu erkennen und zu verstehen sowie eventuell neue Lösungen und Hilfsangebote zu entwickeln.
Fahren ohne Fahrschein wird auch weiterhin sanktioniert, indem ein erhöhtes Beförderungsentgelt erhoben wird. Diese Maßnahme ist grundsätzlich ausreichend, um Menschen, die sich ein Ticket leisten können, davon abzuhalten, sich das Geld für einen Fahrschein sparen zu wollen.
[1] https://taz.de/Haftstrafen-fuer-Schwarzfahren/!5529577/
[2] https://fragdenstaat.de/blog/2023/04/12/mehr-als-zwei-drittel-der-deutschen-fur-entkriminalisierung-von-fahren-ohne-fahrschein/
[3] Drucksache 19/2462 Niedersächsischer Landtag – 19. Wahlperiode