Rede

Sinja Münzberg: Rede zur Aktuellen Stunde (GRÜNE): „My body, my choice“

Sinja Münzberg (Foto: Sven Brauers)
Sinja Münzberg (Foto: Sven Brauers)

TOP 05: Aktuelle Stunde My body, my choice – Wie kann die Region Hannover das Recht auf reproduktive Gesundheit stärken und die Versorgung ungewollt schwangerer Frauen verbessern? Antrag der Fraktion Bündnis 90/Grünen vom 20. Mai 2025

– Es gilt das gesprochene Wort –

Anrede,

etwa jede vierte Frau entscheidet sich einmal im Leben dafür, eine Schwangerschaft zu beenden. Statistisch gesehen stehen also auch hier in der Region Hannover ca. 150.000 Frauen im Laufe ihres Lebens mindestens einmal vor dieser Entscheidung. Ich finde es wichtig, sich diese Zahlen zu vergegenwärtigen, denn jede und jeder hier im Raum müsste demnach mindestens eine Frau kennen, die sich gegen eine Schwangerschaft entschieden hat. Die wenigsten von Ihnen könnten aber vermutlich einen Namen nennen. Und damit sind wir schon mitten im Thema. Denn Schwangerschaftsabbrüche sind nicht nur ein krasses Tabuthema, sie sind bekanntermaßen nach §218 Strafgesetzbuch auch verboten und nur unter bestimmten Bedingungen straffrei.

Dieser § 218 wurde im Jahr 1871 erlassen – zu einer Zeit also, als Frauen nicht wählen dürften, nicht ohne die Erlaubnis ihres Mannes arbeiten durften, und als Vergewaltigung in der Ehe noch legitim war. Das alles haben wir zum Glück schon lange hinter uns gelassen. § 218 hingegen hält sich hartnäckig, obwohl sich mittlerweile eine deutliche Mehrheit von 83% der Bevölkerung für eine Abschaffung ausspricht. Ich möchte diese Aktuelle Stunde heute auch nutzen, um an alle Fraktionen zu appellieren, dieses Thema auch auf die Bundesebene zu tragen und dort für eine Abschaffung dieses völlig überkommen Paragrafen 218 StGB zu werben.

Die Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft ist eine zutiefst persönliche. Sie berührt ausschließlich und allein die Gesundheit und das Wohlbefinden der Frau. Ungewollt schwanger zu sein, ist eine sehr belastende Situation, vielleicht sogar eine regelrechte Notsituation. Das Einzige, was Frauen dann brauchen, ist Hilfe und Unterstützung. Keine Belehrung, keine gut gemeinten Ratschläge, erst recht keine Vorwürfe.

Wir haben diese Aktuelle Stunde heute beantragt, weil es genau daran (Hilfe und Unterstützung) offenbar hier in der Region Hannover deutlich mangelt. Ich bin dem Runden Tisch Frauen, Mädchen und Gesundheit sehr dankbar für ihr Positionspapier. Und zwar nicht nur, weil er hier einen Handlungsbedarf aufzeigt, sondern auch weil er das zu einem Thema tut, über das ansonsten viel zu wenig gesprochen wird. Und das ist ein Problem, denn: die Frauen, die das betrifft, haben keine Lobby, sie kommen hier nicht in die Einwohner*innenfragestunde und beschweren sich, dass sie drei Wochen auf einen Termin warten müssen, sie Gründen keine Bürger*inneninitiative und sie demonstrieren auch nicht hier vor dem Regionshaus. Sie ertragen das in aller Stille.

1971 titelte der Stern mit der Schlagzeile „Wir haben abgetrieben!“ und stellte 384 prominente Frauen vor, die sich öffentlich dazu bekannten. Das ist über 50 Jahre her. Und trotzdem ist es heute vermutlich ungleich schwieriger ein solches Bekenntnis öffentlich abzugeben. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, dass wir als Politik uns unserer Verantwortung hier bewusst sind und dieses Thema trotzdem mit der nötigen Sorgfalt bearbeiten.

Ich erinnere mich, dass wir bereits in der letzten Wahlperiode intensiv über die Versorgung von ungewollt Schwangeren befasst haben. Seinerzeit ging es insbesondere um den Zugang zu Informationen. Durch die Abschaffung von §219a StGB, das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche, ist zumindest eine kleine Hürde gefallen. Wenn man heute die Worte Schwangerschaftsabbruch Region Hannover googelt, findet man immerhin direkt eine Handvoll Praxen, an die man sich wenden kann. Allerdings: wenn man Brustvergrößerung googelt, kriegt man gleich eine ganze Liste…

Und während Schönheitskliniken allerorten aus dem Boden sprießen, nimmt die Zahl der Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, immer weiter ab. Damit ist ein Teil der medizinischen Grundversorgung für Frauen gefährdet. Angesprochen sind hier an erster Stelle niedergelassene Gynäkolog*innen, die diese Grundversorgung gewährleisten müssen Aber auch das KRH als kommunaler Klinikkonzern sollte sich hier angemessen an der Versorgung beteiligen, wie es das in anderen Bereichen aufgrund seiner speziellen Rolle auch tut.

Gute Versorgung heißt hier aber nicht nur kurze Wege, es heißt auch kurze Wartezeiten. Es heißt Wahlfreiheit in Bezug auf die Methode. Es heißt gut ausgebildetes Fachpersonal. Es heißt gute Beratung und es heißt empathische Begleitung.

Und genau da kommt die Region Hannover ins Spiel. Wir können für gute Beratung sorgen, für Vernetzung, für Sprachmittlung. Und wir können vor allem eins tun: das Thema Schwangerschaftsabbrüche aus der Tabuzone holen, in dem wir sagen: Schwangerschaftsabbrüche sind Teil der medizinischen Grundversorgung für Frauen. Sie finden hier in der Region Hannover statt. Das ist gut und richtig so und wir geben unser Bestes, um ungewollt Schwangere so gut wie möglich zu unterstützen.

Anrede,

der § 218 macht uns all das unnötig schwer und er gehört abgeschafft. Aber solange er noch besteht, ist es unsere Aufgabe, unter widrigen Rahmenbedingungen das Beste rauszuholen. Und mal ehrlich: das ist doch unsere Kernkompetenz. Wir sind die Region Hannover. Wir sind es gewohnt auch unter schwierigen Bedingungen Maßstäbe zu setzen. Wo wenn nicht hier sollte es sonst ein bedarfsgerechtes Angebot und eine gute Versorgung für Frauen in Not geben? Das jedenfalls ist unser Anspruch als rot-grüne Koalition und ich danke dem Regionspräsidenten, dass er sich auch persönlich für dieses Anliegen stark macht. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Forderung My body, my choice hier in der Region Hannover Realität wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Anlage

Regionales Raumordnungsprogramm Region Hannover (RROP) – Sachliches Teilprogramm Windenergie 2025 hier: Beschluss über die im Beteiligungsverfahren vorgebrachten Anregungen und Bedenken und über den Entwurf als Satzung – 3577 (V) BDs

Kontakt für Rückfragen

Sinja Münzberg (Foto: Sven Brauers)

Sinja Münzberg
Fraktionsvorsitzende
sinja.muenzberg@regionsversammlung.de