Rede

Oliver Kluck: Rede zum Zeichen gegen Antisemitismus und Bekenntnis zur Erinnerungskultur (Akt. Stunde SPD)

TOP 04: Aktuelle Stunde Zeichen gegen Antisemitismus und Bekenntnis zur Erinnerungskultur vor dem Hintergrund der jüngsten antisemitischen Vorfälle in der Region Hannover Antrag der SPD-Fraktion vom 5. November 2024

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrter Herr Regionspräsident, sehr geehrte Anwesende und an den Bildschirmen.

Antisemitismus ist in Deutschland leider alltäglich und ein fester – wenn auch schändlicher – Bestandteil dieser Gesellschaft. Seit dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober, bei dem mehr als 1200 Menschen starben, haben hierzulande antisemitische Übergriffe zugenommen. Erst vor kurzem wurden die Namenstafeln ermordeter jüdischer Bürger*innen in Ahlem heruntergerissen und es gab zum wiederholten Mal Farbschmierereien am Mauerwerk.


Juden, die nach einem Gottesdienst die Synagoge verlassen, setzen schnell ihre Kippa ab oder verbergen sie unter einer Mütze, weil sie Angst vor antisemitischen Angriffen haben. Und das nicht ohne Grund: Immer wieder kam es zu körperlichen Attacken gegen Menschen jüdischen Glaubens. Jüdinnen und Juden werden in Deutschland täglich Opfer von Gewalt und Diskriminierung. Jeder von uns weiß, was es bedeutet, wenn ich hier Halle und Hanau erwähne.


Die Suche nach den Gründen für Antisemitismus ist schwierig, auch wenn er allgegenwärtig ist. So zeigt er sich in vielfältiger Form.

Rechtsextremer Antisemitismus ist geprägt von offener Gewalt und Zerstörung. Die Ideologie dahinter ist gefährlich und wird in Pamphleten von rechtsextremen Organisationen verbreitet – diese Propaganda steht den Nazi-Schriften aus der Vergangenheit in nichts nach.

Linksradikaler Antisemitismus bedient sich insbesondere der Verschwörungstheorien, die das Weltjudentum als kapitalistischen Strippenzieher identifizieren.

Und dann sind da noch die wilden Verschwörungstheorien, die die Sozialen Medien überfluten. Diese Theorien stellen unter anderem Menschen jüdischen Glaubens in den Fokus, die angeblich überdurchschnittlich viel Kapital besitzen und deshalb zu den allmächtigen Illuminaten gehören.

Hinzu kommt der Alltags-Antisemitismus, der sich in der bürgerlichen Mitte findet. Das sind die Leute, die denken: „So ganz falsch, ist das ja nicht, was die über „die Juden“ sagen.“

Es geht dabei auch um die Semantik der sogenannten „Drei D’s“:  Doppelstandards, Dämonisierung und Delegitimierung: Ein Mensch jüdischen Glaubens, der als Kapitalist bekannt ist, wird aufgrund seines Glaubens doppelten Standards unterworfen in dem sein Handeln höheren Moralvorstellungen unterworfen wird als anderen. Ihm wird ein übermäßiges Machtbestreben vorgeworfen, er sei ein Drahtzieher des „Great Reset“ und die Legitimität seines Besitzes wird infrage gestellt.

Auf all dies, das über lange Zeit gewachsen und eng mit unserer Gesellschaft verwachsen ist, braucht es eine Antwort. Wir müssen die Symptome bekämpfen, auch wenn es kein Heilmittel gibt. Ahlem und andere Gedenkstätten sind deshalb wichtige Bildungsorte und Orte der Demokratie, die insbesondere jungen Menschen aufzeigen, wohin Antisemitismus führt. Das Z3, das Zentrum für Zeitgeschichte und Zivilcourage, in der Landeshauptstadt, nimmt Schüler*innen mit auf eine biografische Reise, um ein Verständnis dafür zu entwickeln, was es bedeutet, Opfer, aber auch Täter*in in einem faschistischen System zu sein.

Doch eines fehlt: Die Geschichte des Antisemitismus in Deutschland ist wichtig. Aber genauso wichtig ist es, den Bezug zu heute herzustellen, zu den Konflikten, die in unserer Gesellschaft und weltweit existieren.

Es ist ein Unding, dass deutsche Jüdinnen und Juden verantwortlich gemacht werden für den Krieg im Gazastreifen. Sie sollten Mitleid und Halt erfahren, denn was muss es einem Menschen jüdischen Glaubens bedeuten, wenn heutzutage wieder ein Pogrom stattfindet?

Es ist einfach unfassbar, dass jüdische Menschen in Deutschland immer noch Angst haben müssen, wegen ihres Glaubens verfolgt zu werden. Dabei ist die Religionsfreiheit doch ein Grundrecht, das im Grundgesetz verankert ist!

Eine Antwort heißt Begegnung: Projekte, die Menschen unterschiedlichen Glaubens zusammenbringen und daraus Erkenntnisgewinn, Freundschaft über Religionsgrenzen hinweg generieren. Das Haus der Religionen in Hannover ist so ein Ort. Andere Orte sind unsere Schulen. Sie müssen sich öffnen, sich in einer multireligiösen Gesellschaft dieser Verantwortung stellen und dürfen nicht länger auf einem rein christlichen Weltbild verharren. Sie müssen ein Ort des Miteinanders für alle Religionen ihrer Schüler*innen sein und letztlich Orte der Demokratie.

Es liegt an uns allen, die Werte unserer Demokratie nicht nur gebetsmühlenartig zu wiederholen, sondern sie auch zu verteidigen und für diejenigen einzustehen, die den Angriffen des Antisemitismus ausgesetzt sind.

Nie wieder ist jetzt!